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Planetopia 1: Dicke Luft ums Auto

Daran kommen wir nicht vorbei, wir müssen über Autos reden. Abstimmungen und Diskussionen zeigen: Beim Thema Auto spitzen sich grosse Zukunftsfragen zu. Für eine Mobilität ohne Verbrennungsmotoren braucht es technologische Lösungen und neue Verkehrskonzepte. Genauso wichtig sind unsere persönlichen Haltungen zum Auto. Wo ist die Grenze zwischen Notwendigkeit und Bequemlichkeit? Ein Text über einen autofreien Alltag und den Diskussionsstau auf dem Weg in eine klimafreundlichere Welt.

Wie Thelma und Louise in den hellblauen Ford Thunderbird springen, den langweiligen Alltag hinter sich lassen und mit der besten Freundin ins Abenteuer fahren. Auf dem Weg zur Little Miss Sunshine-Wahl im VW-Bus wieder als Familie zusammenfinden. On the Road aus starren, miefigen Gesellschaftsstrukturen ausbrechen und die Unabhängigkeit leben. Roadmovies versprechen uns Freiheit und schier unbegrenzte Möglichkeiten… solange wir mit dem Auto unterwegs sind.

Krank im Bett schicken mich die Roadmovies auf eine Reise und lenken vom Halsweh ab. Ein paar Tage später nerve ich mich schrecklich über die drei SUVs, die den Eingang vor dem Laden im Quartier versperren. Kein Durchkommen für den Mann hinter mir mit dem Kinderwagen. In der Woche darauf muss ich mir ein Taxi bestellen, um drei grosse Umzugskisten bei einer Freundin abzuholen. Keine Chance ohne Auto. Dies sind drei Beispiele, wie ich selbst als Person ohne Fahrausweis mit dem Auto in Berührung komme. Meist stören mich Autos, aber hin und wieder bin ich doch froh, mich chauffieren zu lassen.

Das Auto ist ein Symbol. Und es scheint für viele im Alltag und in der Freizeit unverzichtbar. Autofahren ist praktisch, erleichtert Arbeitswege und Alltagserledigungen. Ein Ausflug in die Berge oder zur Familie? Einfach alles ins Auto packen und los geht’s. Kein Wunder ist der Personenwagen das meistgenutzte Verkehrsmittel in der Schweiz. Die Kehrseite: In der Schweiz gibt es jährlich über 30'000 Stunden Stau. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verursachen in der Herstellung UND während der Nutzung Treibhausgas-Emissionen. Durch Reifenabrieb gelangen jährlich rund 8000 Tonnen Kunststoffe in Schweizer Gewässer und Böden. Das Auto als Massenphänomen ist ein Treiber für die Umweltprobleme.

Nahaufnahme eines Autoreifens mit Profil. - vergrösserte Ansicht
Das Auto ist praktisch, hinterlässt aber einen grossen CO2-Abdruck in der Natur.

Auf der Suche nach zukunftsfähigen Lösungen müssen wir uns komplexen Diskussionen ums Auto stellen. Längst ist klar, dass die Mobilität der Zukunft ohne Verbrennungsmotoren auskommen muss. Anders lassen sich Klimawandel und Artensterben nicht aufhalten. Bislang blieb die grosse Mobilitätswende trotz dieses Wissens aus. Die Meinungen klaffen weit auseinander: Für die einen passiert viel zu wenig, für die anderen ist jede Einschränkung ihrer Gewohnheiten eine Zumutung. Oft wird auch argumentiert, dass das Auto in ländlichen Gebieten und Randregionen eine Notwendigkeit ist. Ohne geht’s nicht. Beim Auto prallen vielversprechende Lösungsansätze auf praktische und persönliche Widerstände.

Idee: CO2 kostet etwas

Wenn es um Autos geht, geht es auch um Geld. Das an der Urne gescheiterte CO2-Gesetz von 2021 sah eine hohe Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe vor, also eigentlich einen Preis für erhöhten CO2-Ausstoss. Auf den Marktpreis wird eine zusätzliche Abgabe erhoben, wodurch der Treibstoff teurer wird. So wird die Klimaschädlichkeit des Produktes monetär abgebildet. Der höhere Preis macht das Produkt unwirtschaftlich und unattraktiv, wodurch sich sein Gebrauch verringert.

Dieser mögliche Anstieg der Treibstoffpreise war für viele Stimmbürger:innen ein wesentliches Argument, ein Nein in die Urne zu legen. Die Sorge ums Haushaltsbudget muss man ernst nehmen. Gute Alternativen, die günstiger als das Autofahren sind, sind hier gefragt. Gerade in ländlichen Gebieten, wo die Ablehnung des Gesetzes teilweise sehr gross war, ist das nachvollziehbar. Dauert eine Fahrt mit dem öffentlichen Verkehr doppelt so lange wie mit dem Auto, sind nur wenige bereit, auf den Privatwagen zu verzichten. Eine CO2-Bepreisung kann sich also nur dann positiv auswirken, wenn gleichzeitig gute und erschwingliche Alternativen zum Privatverkehr geschaffen werden.

Auf einer Strasse stehen die Autos dicht gedrängt. Im Hintergrund ein Strassenschild und verschneite Häuser. - vergrösserte Ansicht
Mehr als 30'000 Stunden Stau gibt es jährlich in der Schweiz.

Idee: Wir stellen komplett auf Elektro-Autos um

Die Autoindustrie in der EU will bis 2035 komplett fossilfrei sein. Die Industrie rund ums Elektroauto boomt, jedes Jahr werden mehr E-Autos produziert und verkauft. Alles super also? Leider ist die Elektromobilität, wie sie sich aktuell entwickelt, auch problematisch. In der Wirtschaft und in der Politik scheint die Vorstellung vorzuherrschen, dass wir einfach alle Verbrenner mit Elektroautos ersetzen müssen, um dasselbe Mass an Mobilität ganz ohne CO2-Ausstoss haben zu können. Die Bedingungen dazu sind aber nicht gegeben. Um E-Autos wirklich ökologisch zu betreiben, müssen sie auch mit ökologisch produzierter Energie geladen werden – und hier stockt der Ausbau gewaltig. Es ist zudem auch eine Überlegung wert, ob wir die Energie aus erneuerbaren Quellen nicht besser an anderen Stellen einsetzen, etwa im ÖV oder in der Industrie statt im Individualverkehr. Ein weiteres Problem sind die Batterien. Der Akku eines E-Autos besteht aus mehreren zusammengeschalteten Batteriezellen. Sie enthalten Lithium, Nickel, Kobalt und andere seltene Erden. Diese Rohstoffe sind nur in begrenztem Mass vorhanden. Ihr Abbau verursacht neue ökologische und soziale Probleme. Das Recycling der Batterien ist aufwendig und kann nicht mit dem Produktionstempo neuer E-Autos mithalten. Ausserdem werden Batterien und ihre Rohstoffe auch für andere Bereiche benötigt – gerade um ökologisch Energie zu gewinnen und zu speichern. Die Autoindustrie dominiert schon jetzt das Batteriegeschäft, so dass andere wichtige Technologien für die ökologische Wende auf diesem Markt in eine Konkurrenzsituation geraten.

All diese Faktoren tragen dazu bei, dass ein «weiter wie bisher, einfach elektrisch» beim Auto nicht funktionieren wird. Das Elektroauto ist ein gutes Beispiel für eine technologische Lösung, die ihre Wirkung erst entfaltet, wenn wir sie überlegt und gezielt einsetzen. Die Devise muss heissen: weniger Autos und nur noch Elektro.

Fürs Autofahren liegen die Alternativen wie die Elektromobilität, ein Preis für CO2-Emissionen und begleitende Verkehrskonzepte auf dem Tisch. Keiner dieser Ansätze ist für sich allein die perfekte Lösung. Für die grosse Wende braucht es eine Kombination. Was klar ist: Unser Alltag wird durch technologischen Wandel nur dann ökologischer, wenn gleichzeitig ein Kulturwandel stattfindet. Noch stecken wir nicht in der Klemme wie Thelma und Louise am Ende ihres Roadmovies. Wir haben Optionen und können noch einen anderen Weg einschlagen als den über die Klippe.

 

Willst du weiterreden?

Hier ein paar Fragen zur Inspiration:

Wie würde dein Leben aussehen, wenn es auf einen Schlag keine Autos mehr gäbe?

Was denkst du, weshalb fluchen so viele Leute beim Autofahren? Auch die üblicherweise Sanftmütigen?

Würdest du dich weniger über Stau nerven, wenn du wüsstest, dass er durch eine Blockade von Klimaktivist:innen verursacht wurde?

Autorin

Alexandra Heini, Ausstellungskuratorin, Museum für Kommunikation, Bern

Planetopia - Raum für Weltwandel

Dieser Blog-Post entstand im Rahmen der Ausstellung Planetopia - Raum für Weltwandel.

Die ökologische Krise betrifft alle. Es ist höchste Zeit, dass wir uns den Umweltproblemen stellen und sie auf breiter Basis diskutieren. Welche Lösungen können wir entwickeln? Was ist wirksam? Was ist sinnvoll? Gemeinsam mit Ihnen wollen wir herausfinden, wie verantwortungsbewusstes Leben in der Zukunft aussieht. 

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