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Radio seit 1922

Mit der neuen, drahtlosen Technologie Radio ging es in der Schweiz vor 100 Jahren so richtig los. Das Jahresdossier 2022 zum Schweizer Jubiläum von 100 Jahren Radio zeigt Quellen von den Ursprüngen des Radios. Wer strahlte die ersten Programme aus? Welche Aufgaben hatte die PTT? Von der Garagentür-Fernbedienung im Jahre 1929, über den Landessender Beromünster für die Programme der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft (SRG) bis zu den ersten Privatradios 1983 gibt das PTT-Archiv mit ausgewählten Akten Einblick in die Schweizer Radiogeschichte. Die öffentlichen Akten liegen auf Wikimedia Commons zum Download bereit - ein Klick auf das jeweilige Thema führt zu den Digitalisaten.

Vor ungefähr 100 Jahren nutzten erstmals Radiobegeisterte in der Schweiz Funk zur Verbreitung von Sprache und Musik. Radio beschreibt aber nicht nur die Ausstrahlung und den Empfang von Rundfunkprogrammen: Es steht für eine Technologie, die in den 1890er Jahren entwickelt wurde und das Kommunizieren über elektromagnetische Wellen ermöglichte. Am Anfang waren es vor allem sogenannte Telegramme, Kurznachrichten, die als Morsezeichen codiert drahtlos übermittelt wurden. Es folgte die Radiotelefonie und schliesslich das Ausstrahlen von Musik und Sprache an mehrere Hörerinnen und Hörer gleichzeitig: der Rundfunk. Als möglicher Stichtag, allerdings mit Vorsicht zu geniessen, gilt für die Schweiz der 26. Oktober 1922. Mehr zur Gründerzeit des Radios in der Schweiz gibt es im Blog-Post «99 Jahre Radio in der Schweiz» von Herbst 2021 zu lesen.

Die ersten Rundfunkpioniere schlossen sich in Radiogesellschaften zusammen. Das neue Medium erlebte einen grossen Zulauf neuer Hörerinnen und Hörer. Die Finanzierung über Empfangskonzessionen war aber schwierig. Der Bund legte daher die Rundfunkgesellschaften 1931 in der gesamtschweizerischen SRG (Schweizerische Rundfunkgesellschaft) zusammen. Die SRG besass fortan das Programmmonopol. Die PTT besorgte die Radioinfrastruktur und hatte das technische Sendemonopol inne. Dazu gehörte die Verwaltung aller beteiligten Akteur:innen, die Funk sendeten und empfingen, der Unterhalt der offiziellen Sendeanlagen, die internationale Koordination der verfügbaren Frequenzen – und die Verfolgung illegaler Aktivitäten auf sämtlichen Radiowellen.

Das Jahresdossier gibt einen Einblick in die vielfältigen Aufgaben und Schnittstellen der PTT. Eine umfangreiche Auswahl an Digitalisaten ist im Jahresdossier auf Wikimedia Commons veröffentlicht.

Wikimedia Commons Jahresdossier

Anfänge Rundfunk

In der Schweiz gab es schon in den frühen 1920er Jahren Versuche zum Radiorundfunk. Wann genau die erste Sendung in den Äther gestrahlt wurde, ist schwierig zu eruieren. Doch schon 1926 gab es Sender in Lausanne, Zürich, Bern, Genf und Basel. Die meisten Radio-Programme übernahmen die bekannten Formate des Vortragens und Zuhörens: Predigten, Musikbeiträge im Konzertstil, Theateraufführungen waren zu hören. Dazu kamen auch neue Formen des Zusammenschnitts von Musik und Sprachbeiträgen: Die vorgelesenen Nachrichten verbreiteten Informationen in Echtzeit und die Volksmusik schaffte es über Radio zu grosser Bekanntheit.

Während es 1923 erst knapp 1’000 konzessionierte Empfangsgeräte gab, überstieg die Anzahl zahlender Radiohörinnen und -hörer 1930 die 100’000er Marke. Die Verwaltung der Konzessionen besorgte die PTT. Auch der Bau des ersten Landessenders orchestrierte der Bundesbetrieb.

 

Skizze auf Papier, Grundriss und Seitenriss des Senders Ville de Lausanne
Die PTT plante, baute und betrieb alle Radiostationen. Ab 1983 konnten auch private Sender eigene Sendeinfrastruktur in Betrieb nehmen. Quelle: PTT-Archiv, T-00 A_4772.
Alter Brief mit ausgeschmücktem Briefkopf von Beromünster
Die Gemeinde Münster zeigte sich 1929 erfreut darüber, dass der neue Landessender in der Nähe Gemeinde gebaut werden sollte. Die PTT organisierte den Bau der Infrastruktur. Der Landessender strahlte das Deutschschweizer Radioprogramm ab 1931 aus. Der Sender war bis 2008 in Betrieb. Quelle: PTT-Archiv, T-00 A_4769.

Radio Schweiz AG

Die Radiotelegraphie machte den Anfang der verbreiteten zivilen Radionutzung. Zuerst waren es vereinzelte Uhrengeschäfte, die sich Empfangskonzessionen, also Bewilligungen zum legalen Empfang von Radiosignalen, beschafften, um das Zeitzeichen aus Paris zu empfangen. Bis dahin gab es in den grösseren Städten kleine lokale Zeitzonen, die sich nach der Sonne richteten.

Benannt nach dem Erfinder des Radios, Guglielmo Marconi, der 1896 seine Technologie zur Telegraphie ohne Draht patentieren liess, empfing und versandte ab 1922 die Firma Marconi Radio Station AG (1928-1988 Radio Schweiz AG) die Zeitzeichen in der Schweiz und drahtlose Telegramme in die ganze Welt.

Die Radio Schweiz AG koexistierte zur PTT, verrichtete aber andere Aufgaben: Die RSAG besorgte beispielsweise den Funkverkehr in der Luft. Ihre Konzession lief 1983 allerdings aus. Die Luftraumüberwachung verantwortet heute das Nochfolgeunternehmen Skyguide.

 

Rosa Seite links gelocht mit Titelüberschrift
Die PTT arbeitete eng mit der Radio-Schweiz AG (RSAG) zusammen, die aus der 1922 gegründeten Marconi Radio AG hervorging. 1981 überarbeitete der Bundesrat das Verhältnis zwischen der PTT und der RSAG - die Konzession der RSAG erlosch. Quelle: PTT-Archiv, P-28-5d-1983_01.

Vernetzung International

Brief in Schreibmaschinenschrift auf altem Papier
An internationalen Konferenzen teilten die Nationen die verfügbaren Frequenzen untereinander auf. Die PTT bat um mehrere Frequenzen für die Schweiz, damit verschiedene Radioprogrammen der Sprachenvielfalt Rechnung tragen können. Quelle: PTT-Archiv, T-00 A_4759.

Die verfügbaren Radio- respektive Funkfrequenzen sind beschränkt – und die elektromagnetischen Radiowellen machen an keinen Landesgrenzen halt, nur gewisse physische Hürden sind nicht zu überwinden. Je nach Frequenzbereich und klimatischen Bedingungen können Radiowellen durch Reflexion in der Atmosphäre sogar den ganzen Globus umrunden. Folglich mussten sich die Nationen koordinieren, um die verfügbaren Frequenzen aufzuteilen.

Die PTT vertrat die Schweiz an den Internationalen Radio Konferenzen. Entsprechend war die PTT-Delegation auch bei der «European Radiotelegraph Conference» in Prag zwischen dem 4. und 13. April 1929 dabei und setzte sich für mehrere Frequenzbereiche für den Schweizer Rundfunk ein – schliesslich gab es vier Landessprachen, von denen mindestens drei mit unterschiedlichen Radioprogrammen versorgt werden sollten.

Infrastruktur

Schweizer Karte mit Fernsehnetz-Verbindungen der verschiedenen Sender
Die Karte der Radioabteilung (RA) 23 der PTT zeigt die verschiedenen Fernseh-Sendestandorte der Schweiz. Die PTT betreute Radio- und Fernsehsendeanlagen. Die Karte stammt aus dem Jahr 1970. Quelle: PTT-Archiv, P-527.

Die PTT verantwortete die Radioinfrastruktur. Dabei ging es einerseits um die Auswahl, den Bau und Unterhalt grosser Sendestandorte. Jeweils ein zentraler Sendestandort konnte weite Gebiete bestreichen, der Mittelwellen-Landessender Beromünster im Mittelland beispielsweise. In den 1970er baute die PTT die UKW-Technologie aus, die eine bessere und kleinräumige Abdeckung ermöglichte.

Die ganze Radioinfrastruktur musste überdies krisenerprobt sein: Im Kriegsfall musste Radio zur Kommunikation mit der Bevölkerung sicher funktionieren, selbst im Falle eines nuklearen Ernstfalls. Doch nicht nur solche ausserordentlichen Szenarien galt es zu berücksichtigen: Auch kleinere und alltägliche Störungen durch die elektromagnetischen Interferenzen von Strassenbahnen oder Zugfahrleitungen wurden beobachtet und eingedämmt. Selbst wenn es in der Nachbarschaft grössere elektrische Geräte gab, kam es vor, dass der PTT-Entstörungsdienst zum Einsatz kam, um allfällige Vorkehrungen zu treffen, damit wieder Radio empfangen werden konnte. Und schliesslich stellte die PTT auch die Radioversorgung von Auto-Fahrer:innen in Strassentunnels sicher.

SRG und PTT

Titelseite einer Broschüre mit Farbfotografie eines Sendeturms
Pro Radio-Television informierte das Publikum über die Produktions- und Vertriebslandschaft von Radio und Fernsehen in der Schweiz. Die ausführliche Broschüre beleuchtet die Rollen von SRG und PTT und gibt einen Abriss über deren Zusammenwirken. Quelle: PTT-Archiv, Tele-180 0411.

Die Schweizerische Rundfunkgesellschaft, die ab 1931 die Dachorganisation der lokalen Rundfunkgesellschaften bildete, arbeitete eng zusammen mit der PTT. Die PTT waren in «allen übertragungstechnischen Belangen zwischen Studio, Sender und Empfänger zuständig» – das ging anfangs bis zur Studioeinrichtung. Die SRG dagegen war für die Inhalte verantwortlich und erhielt dafür auch 77% der Einnahmen durch Empfangskonzessionen (Stand 1990). In einer umfassenden Erklärbroschüre erklärt Proradio-Television die Rollen der verschiedenen Akteure und skizziert die Entwicklung von Radio und Fernsehen in der Schweiz.

Die PTT war Ansprechpartner, wenn in gewissen Regionen der Empfang des Radioprogramms schlecht war. Auch stand sie für Spezialübertragungen der SRG mit der Herstellung von Kabel- und Richtstrahlverbindungen zur Seite.

Pro Radio präsentiert das Zusammenwirken der dreisprachigen Landessender. Diese Infrastruktur betreute die PTT. Quelle: Museum für Kommunikation, FLM_0465_00, «Fantasie 51. Pro Radio presente».

Konzessionen und Kontrolle

Die PTT war zuständig für die Verwaltung des Funkraums: Wer das Radioprogramm, das als Funkwellen ohnehin durch den Äther ging, empfangen und hören wollten, musste sich eine Konzession beschaffen. Über die Konzessionsgebühren wurde die SRG finanziert. Was heute als SERAFE AG und bis 2018 als Billag AG bekannt war, besorgte bis zur Liberalisierung 1997 die PTT. Die Rechnung für Radio- und Fernsehen kam jeweils mit der Telefonrechnung. Mit der Vergabe der Konzessionen hatte die PTT auch stets den Überblick über die Anzahl Empfangsgeräte.

Wer selbst Funkstrahlung produzierte, um als Taxiunternehmung vor dem Zeitalter des Natels mit den verschiedenen Wagen in Verbindung zu treten oder um als Funkamateur:in zu funken, benötigte ebenfalls eine Bewilligung – auch dies war eine Konzession.

Im Archiv gibt es Informationsbroschüren, Beispiele erster Konzessionen, Statistiken, Prüfungen von Funkamateuren.

Faltbroschüre in blauer Farbe mit Grafik eines Vogels auf einer Radioantenne
Die PTT stellte umfangreiches Informationsmaterial für Radio- und Fernsehempfangskonzessionen zur Verfügung. Haushalte mussten sich dafür selbstständig anmelden. «Das konzessionslose Betreiben von Empfangsgeräten wird als Regalverletzung mit Busse geahndet.» Quelle: PTT-Archiv, P-324-1, Kleiner Führer für Radio und Fernsehteilnehmer.

Phänomen Radio

In den Anfängen des Rundfunks verbreitete sich die Radiotechnologie rasend schnell – die elektromagnetischen Wellen faszinierten. Private gründeten Radioclubs und veranstalteten mit Sende- und Empfangsgeräten sogenannte «Fuchsjagden». Andere wollten bereits 1929 Funk zur «telemechanischen» Garagen-Türöffnung nutzen. Diese Anfrage führte schliesslich zu einem Briefwechsel zwischen der Stadt Neuenburg und der PTT, da man sich nicht einig war, ob die Zuständigkeit für solche Konzessionen auch bei dem Bundesbetriebe liege. Später gab es das Babyphon, dessen konzessionspflichtiger Einsatz ebenfalls die PTT kontrollierte.

Auch 1990, als das Radio schon längst etabliert war, galt es in den Postautos die Regeln des Radiohörens reglementarisch festzulegen.

 

Brief der Elektrizitätsbetriebe der Stadt Neuenburg mit Briefkopf
Schon früh versuchten Technikbegeisterte die elektromagnetischen Wellen für unterschiedliche Zwecke zu nutzen. Bereits 1929 kam es wegen einer Garagenfernbedienung (mit Funk, resp. Radiowellen) zur Auseinandersetzung: Die PTT beanspruchte auch hier die Verwaltungshoheit. Quelle: PTT-Archiv, T-00 A_4777.

Radiopiraterie

Wer illegal Radiowellen in den Funk-Äther entliess, den oder die verfolgte die PTT. Funküberwachung war Aufgabe des Monopolisten. Noch bis 1983 bestimmte nämlich ausschliesslich die SRG das Rundfunkprogramm – ihr inhaltliches Monopol in Sachen Radio und Fernsehen schützte die PTT durch ihr technisches Monopol. Illegale Sender von politischen Aktivistinnen oder Radioamateuren musste der Bundesbetrieb, manchmal in Zusammenarbeit mit der Polizei, ausheben. Das führte zu regelrechten Verfolgungsjagten. Dazu gibt es in diesem Blog-Beitrag mehr zu lesen. Das PTT-Archiv beherbergt eine Vielzahl solcher Geschichten.

Brief mit einer schwarz-weiss Aufnahme - vergrösserte Ansicht
Die Radio- und Fernsehabteilung der PTT hoben ab den 1950er Jahren regelmässig illegale Sender aus. In sogenannten "Schwarzsenderaktionen" spürten die Funkfahnder die Sender mit Peilgeräten auf und beschlagnahmten das Material. Quelle: PTT-Archiv, T-00 C_0802_06.

Doch nicht nur illegale Radiopiraten mit Musik und frechen Tonbeiträgen galt es aufzuspüren: Auch Funkamateurinnen, die auf falschen Frequenzen unterwegs waren; Taxiunternehmen, die mit nicht konzessionierten Funkgeräten arbeiteten; Familienväter, die illegale Babyphones betrieben, und Radiohörerinnen, die ohne Gebühren Radio hörten, bis hin zu Blick-Journalisten, die den Polizeifunk abhörten, verfolgte und bestrafte die PTT. Dir Geräte zog die PTT ein und verhökerte sie bisweilen selbstständig. Dies entsprach offenbar nicht dem offiziellen Vorgehen.

Privatradios

Brief mit tabellarischer Auflistung der unterschiedlichen Kostenpunkte eines Senders
Ab 1983 konnten private Radios dank der Radioversuchsordnung (RVO) Konzessionen für ihre Programme beantragen. Teilweise bauten sie eigene Sendeeinrichtungen auf. Manche liessen sich aber Sendeinfrastruktur von der PTT offerieren. Quelle: PTT-Archiv, T-00 D_0244_01.

Ab 1983 konnten private Radiobetreiber im Rahmen der Radioversuchsordnung Konzessionen für ihre Sender beantragen. Die Schweiz machte den Schritt ins Zeitalter des liberalisierten, privaten Radioangebots – das Programmmonopol der SRG brach. Nach wie vor war es aber die PTT, die die neuen legalen Aktivitäten der Privatradios verwaltete und kontrollierte. Sogar einen Teil der Sendeanlagen baute die PTT für die neuen Privatradios – entsprechende Offerten und Briefwechsel finden sich im PTT-Archiv.

Übersicht Quellen zu Radio seit 1922

Sämtliche verwendeten Quellen sind im Jahresdossier auf Wikimedia Commons zu finden.

Wikimedia Commons Jahresdossier

Auf Wikimedia Commons sind die Dokumente überdies in dieselben Unterkategorien gegliedert.

 

Zwei Geschichten aus der Radio Welt sind in folgenden beiden Blog-Beiträgen aufgearbeitet. Auch sie arbeiten mit den Quellen, die wir im Rahmen dieses Jahresdossiers auf Wikimedia Commons veröffentlicht haben.

 

Im Digitalen Lesesaal des PTT-Archivs finden sich weitere Dokumente für die vertiefte Auseinandersetzung. Falls Sie weiteres Material suchen, können Sie sich auch gerne an das PTT-Archiv wenden. Wir stehen Ihnen per Mail gerne zur Verfügung.

Digitaler Lesesaal

 

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