Warum sammelt ihr das?
Ein neues Sammlungskonzept für das Museum für Kommunikation
Das erste Mobiltelefon der Schweiz. High Heels einer Influencerin. Ein selbstfahrendes Postauto aus dem Testbetrieb. Die Sammlung des Museums für Kommunikation bildet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab. Doch: Was wird gesammelt – und was nicht? Warum kommen meine Briefmarkensammlung und das historische Radiogerät meiner Grossmutter nicht zwingend in die Sammlung? Können wir die Zukunft sammeln? Und ist Objektivität beim Sammeln überhaupt möglich? Das neue Sammlungskonzept des Museums schafft Klarheit.
Fast zwei Jahre hat das ganze Sammlungsteam am neuen Konzept gearbeitet. Das Ergebnis ist ein Dokument, das intern für Orientierung sorgt und extern Transparenz schafft. «Wir sammeln Kommunikation» – das ist der Ausgangspunkt, die Mission des neuen Sammlungskonzepts. Es klingt logisch, dass das Museum für Kommunikation auch Kommunikation sammelt. Doch ganz so selbsterklärend ist das nicht. Kommunikation ist unglaublich breit, kaum etwas hat gar keinen Bezug zu Kommunikation. Mit insgesamt sieben Leitsätzen führt das Konzept deshalb genauer aus, wie wir unsere Sammlungsarbeit ausrichten. Sie definieren, was gesammelt wird, welche Objektarten relevant sind, wie die Sammlungen strukturiert sind und welche Haltung dahintersteht. Und sie halten fest, dass wir auch nach vorne schauen: Die Sammlungen zeigen nicht nur die Geschichte der Kommunikation, sondern auch aktuelle Trends und Entwicklungen. Doch wer sammelt hier überhaupt? In erster Linie natürlich das Sammlungsteam des Museums – gleichzeitig aber auch alle anderen, die mitwirken möchten. Über Projekte wie «MyMuseum» können Interessierte Vorschläge für neue Sammlungsobjekte einreichen. Wir wollen so unsere Sammlungsarbeit breiter und demokratischer aufstellen und blinde Flecken vermeiden.
Was und wie wir sammeln
Viele Objekte stammen von unseren Stifterinnen: der Schweizerischen Post und der Swisscom. Durch enge Zusammenarbeit erhalten wir frühzeitig Zugang zu relevanten Entwicklungen und Objekten. Wir sammeln exemplarisch, nicht vollständig – und im Rahmen der verfügbaren Ressourcen. Gesammelt werden Objekte mit Bezug zur Schweiz, zur Post und Swisscom, zum Transport von Menschen, Gütern und Daten sowie zum Service Public. Objekte können Erinnerungsorte, kulturelle Dokumente, emotionale Träger oder Diskussionsanlässe sein.
Auch Innovationen – vom gescheiterten Versuch bis zum Durchbruch – gehören dazu. Die Zukunft entscheidet, was als innovativ gelten wird und was nicht. Sammeln heisst für uns auch Entwicklungen zu antizipieren.
Unsere Arbeit basiert auf den ethischen Richtlinien des internationalen Museumsbundes (ICOM). Vor jeder Aufnahme prüfen wir: Entspricht das Objekt unseren strategischen Zielen aus Stiftungsurkunde, Museumsstrategie und Sammlungskonzept?
Besonders wichtig sind Objekte, die Innovationen der Gegenwart zeigen, Geschichten erzählen oder den «Zeitgeist» widerspiegeln.
Dabei umfasst der Begriff «Objekt» für uns mehr als nur Dinge. Er schließt digitale Objekte (digital geboren oder digitalisiert), immaterielle Inhalte, aber eben auch die klassischen, materiellen Gegenstände ein. Dazu gehören auch Geschichte(n), Technologien, Konzepte, Ideen, Praktiken und Hintergründe.
Was ist neu?
Das neue Konzept bündelt bisher verstreute Informationen für Mitarbeitende und alle anderen Interessierten in einem einzigen Dokument. Es beschreibt klar, was gesammelt wird und wie. Eine Übersicht der Sammlungsbereiche hilft, die Sammlungsprofile zu schärfen. Besonders überarbeitet wurde der Bereich «Kommunikationskultur», der sich nun auf Kommunikationsphänomene in der Schweiz konzentriert.
Neben den Aufgaben der Kurator:innen und Konservator:innen betont das Konzept die immer wichtigere Rolle des Informations- und Dokumentationsmanagements. Vermehrt erschliessen Fachkräfte aus diesem Bereich die Objekte und sorgen für eine strukturierte Erfassung in der Datenbank. Dank ihnen finden wir am Ende in der riesigen Sammlung, was wir suchen.
Sind wir objektiv in unseren Auswahlprozessen? Drauf gibt es eine klare Antwort: Nein.
Unsere Perspektive ist geprägt von unserer Umwelt. Deshalb reflektieren wir, wie unsere gesellschaftliche Position unsere Entscheidungen beeinflusst – und welche Perspektiven uns möglicherweise fehlen. Je mehr Blickwinkel wir einbeziehen, desto besser verstehen wir die Bedeutung und Wirkung der Objekte – und können sie mit der Öffentlichkeit teilen.
Auch deshalb machen wir das Sammlungskonzept öffentlich.
Sammlungen sind Kulturerbe für alle. Das Konzept zeigt transparent, wie wir arbeiten, denken und die Sammlungen weiterentwickeln und es gibt Antworten auf die Frage «Warum sammelt ihr das?».
Autor
Johannes Sauter, Leiter Sammlungen, Museum für Kommunikation, Bern
Das Sammlungskonzept ist ab 2025 gültig.
Gesamtleitung Museum: Jacqueline Strauss
Projektleitung: Johannes Sauter
Autor:innen: Jonas Bürgi, Nora Haldemann, Tim Hellstern, Juri Jaquemet, Nicolas Kessler, Jean-Claude Lavanchy, Marcia Montani, Martha Mundschin, Luciana Rudaz, Johannes Sauter, Roger Steinmann, Anthony Wyer
Mit Dank an: Joséphine Métraux (métraux&), Anja Vogel und alle Beteiligten