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Museen als attraktive Arbeitgeber

Eine Anfrage für ein Referat zum Museum als attraktiver Arbeitgeber bringt uns erst einmal ins Grübeln. Dann stossen wir auf drei Adjektive und drei Tiere – plötzlich formt sich eine Geschichte, über Zusammenarbeit, Wertschätzung und ein unmögliches Einhorn.

Das Museum als attraktiver Arbeitgeber. Ganz ehrlich: Kein Thema, über das man mal eben locker ein bisschen plaudert. Es ist Frühling 2022 als mich David Vuillaume und Mara Hofmann vom Deutschen Museumsbund für ein Referat an ihrer Jahrestagung im Saarland anfragen. Ein schönes Kompliment, dass ausgerechnet wir über dieses Thema sprechen sollen, aber was habe ich zu erzählen? Als erstes tausche ich mich dazu mit meiner Geschäftsleitung aus und es kristallisieren sich zwei Fragen heraus:

Frage 1. Was macht uns denn zum attraktiven Arbeitgeber?

Im Fokus steht unsere Betriebskultur. Darum herum gruppieren sich drei Adjektive, denen wir gerecht werden wollen: kollaborativ, wertschätzend und agil.

Frage 2. Wieso lohnt es sich überhaupt, in die Organisation zu investieren?

Ich bin felsenfest überzeugt, dass sich die Betriebskultur und Organisation im Ergebnis und damit in der Qualität spiegeln. Sie wird direkt für die Museumsbesuchenden spürbar.

 

Ratatösk – das kollaborative Museumsmaskottchen

Das Museum für Kommunikation in Bern hat ein Haustier: Ratatösk. So heisst das Eichhörnchen in der nordischen Mythologie. Ratatösk ist dort ein Kommunikator und übermittelt Nachrichten auf dem sagenhaften Weltenbaum. Dank ihm unterhalten sich der Drache am Fusse des Baums und der Adler in der Krone. Manchmal verdreht Ratatösk auch eine Botschaft, lügt oder vergisst etwas. Also ganz wie im richtigen Leben.

Wir haben das vorwitzige Tierchen ins Museum geholt. Unser Publikum begegnet Ratatösk bereits draussen auf der Promenade. In der permanenten Ausstellung signalisiert er spezielle Stationen für Kinder. Ratatösk ist unser Maskottchen, weil er richtiger Kommunikator ist. Ohne ihn läuft gar nichts. Er arbeitet und vermittelt vertikal über alle Hierarchiestufen hinweg und horizontal über alle Bereiche hinweg. Damit steht er symbolisch für das kollaborative Arbeiten, das uns so wichtig ist.

Diese Form der Zusammenarbeit ist von Bedeutung, weil Innovation in unserem Selbstverständnis ein zentraler Begriff ist. In unserer Arbeit und in allen Aktivtäten suchen wir stets neue Wege. Um dieses Versprechen der Innovation uns selbst und unserem Publikum gegenüber einzulösen, haben wir begonnen, für neue Vorhaben quer zur Linienorganisation zu denken und zu arbeiten. Etwa beim Erarbeiten unserer Digitalen Strategie oder der Diversitätsstrategie.

Kollaboratives Arbeiten ist aber auch bei unseren Ausstellungen entscheidend. Von Beginn weg sind im Projektteam alle vertreten: Nebst dem Kuratorium sind das die Vermittlung, das Marketing und der Betrieb. Und sobald wir das Szenografie-Büro bestimmt haben, sind auch sie Teil des Teams. Ich sage immer: bei uns ist die Vermittlung nicht die Kirsche auf der Torte, sondern das Backpulver im Teig.
 

                        «Vermittlung ist nicht die Kirsche auf der Torte, sondern das Backpulver im Teig.»

 

Meine Erfahrung ist: Ein gemischtes Projektteam führt am Anfang zu mehr Diskussionen. Es kreiert aber am Schluss eine innovative Ausstellung und eine, die auch betrieblich funktioniert.

Der diverse Elefant

Auch für das zweite Stichwort steht ein Tier. Es gibt die Parabel von fünf Blinden, die einen Elefanten untersuchen. Sie kommen je nach Standpunkt zu unterschiedlichen Ergebnissen: Ein Schlauch... Ein Pinsel, ein Fächer! Eine Säule? Ein Spiess. Der Elefant steht hier für die Perspektivenvielfalt. Und noch wichtiger: Er steht für die Wertschätzung genau dieser Mischung im Team.

In unserem Team haben wir einige sehr langjährige Mitarbeitende, bis zu 30 Jahre sind sie schon im Museum für Kommunikation. Und gleichzeitig auch junge und solche, die uns nur kurzfristig unterstützen. Mit unserer neuen Diversitätsstrategie wollen wir künftig noch bewusster auf ein vielfältiges Team hinarbeiten.

Doch auch zurückblickend gab es bei uns bereits entscheidende Phasen. Zum Beispiel vor fünf Jahren als wir im Rahmen einer Gesamterneuerung unseres Museums die gelangweilten Aufsichten abgeschafft haben. Stattdessen haben wir einen neuen Beruf erfunden, mit einer gründlichen Ausbildung: die Kommunikator:innen. Sie sind Gastgebende in der Ausstellung, immer präsent und im Dialog mit den Besuchenden. Sie sind zu unserem Alleinstellungsmerkmal geworden und mittlerweile erreichen uns dazu Schulungsanfragen aus den umliegenden Ländern.

Wertschätzung der Kommunikator:innen bedeutet für uns konkret:

  • Feste Anstellung und eine Ausbildung, die das nötige Rüstzeug mitgibt.
  • Die Möglichkeit, Ausstellungen mitzugestalten oder inhaltliche Zusatzaufgaben zu übernehmen.

Diese Wertschätzung motiviert bisherige wie neue Mitarbeitende.

Was uns auch hilft, ist ein innovatives Image und Museumspreise, die wir erhalten haben. Darunter 2019 den Museumspreis des Europarats. Die Preise geben Anerkennung von aussen. Und so macht es Spass bei uns zu arbeiten.

Wenn das Einhorn zum Esel wird

Für das dritte Adjektiv steht ein Tier, das alle kennen, obschon es noch niemand gesehen hat: das Einhorn. Perfekt, magisch – und nicht existent. Umgemünzt auf das Projektmanagement heisst das, wir verabschieden uns davon ein fertiges Produkt zu entwickeln, das zu 100 Prozent perfekt ist. Hier haben wir vom agilen Management gelernt.

Unstimmigkeiten zu erkennen ist eine Stärke. Es ist nämlich viel erfolgsversprechender, wenn wir früh wissen, dass wir ein Problem haben. Für unsere Projekte sind wir sehr wohl ambitioniert. Und genau deshalb arbeiten wir möglichst agil. Wir wollen aus Fehlern lernen und organisieren Projekte von vorneherein so, dass wir etwas anpassen und korrigieren können. Unter Umständen realisieren wir dann, dass ein Esel gute Dienste tut – und dass er unser Einhorn ist.

Wir sind nicht durchgehend agil. Viel mehr arbeiten wir mit Elementen daraus.

Hier drei Beispiele:

  • Persönlich wende ich in Projekten die Sprint-Retrospektive an. Eine Feedback-Runde in fünf Schritten. Aber wichtig, dass sie sehr konsequent Schritt für Schritt durchgeführt wird. Vom Check-in über die Ursachenanalyse bis zu konkreten Massnahmen.
  • In der permanenten Ausstellung haben wir das Prinzip des dynamischen Kuratierens im Konzept mitgedacht. Die Ausstellung bleibt über Jahre flexibel und frisch. Das Bewegliche ist damit von Beginn weg eingeplant.
  • Wir lernen aus Projekten und übernehmen bewusst Erkenntnisse für die Linienorganisation.

Kurz: Innovationen müssen nicht immer minutiös geplant sein. Wir können auch mal starten, ausprobieren und dann anpassen und schleifen.

Warum sich der Aufwand lohnt

Ich komme zum Schluss nochmals zu Antworten auf die beiden Eingangsfragen: Was macht Museen zu attraktiven Arbeitgebern? Und wieso legen wir so viel Wert auf die Organisation und das Projektmanagement?

Wenn wir als Arbeitgeber kollaborativ, wertschätzend und agil unterwegs sind, haben wir weniger Widerstände im Team. Das Team ist stärker involviert. Das führt zu mehr Qualität und macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber. Die Methoden bringen auch Raum für Kreativität und damit für bessere Lösungen.

Und noch ein letztes Beispiel: Wenn ich anderswo eine an sich gute Ausstellung besuche, fällt mir manchmal etwas auf, das ich komisch finde und nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel die Wegleitung im Haus ist unklar oder improvisiert. Wenn ich dann im Austausch mit Kolleg:innen nachfrage, wieso das so ist, kommt oft eine Erklärung zur Organisation. Zum Beispiel: «Weil sich der Kurator und die Architektin nicht verstanden haben, ist das jetzt leider so…» – oder so ähnlich.

Diese Erkenntnis haben wir uns zu Herzen genommen. Das Projektmanagement spiegelt sich im Ergebnis und in der Qualität. Das Publikum nimmt das wahr und schätzt es. Wenn wir Exzellenz wollen, müssen wir an der Organisation arbeiten.

Das Team des Museums für Kommunikation ist weder perfekt noch unfehlbar. Wir sind nicht am Ziel, aber wir sind auf einem Weg und lernen konstant dazu. Was wir suchen ist win-win-win für alle: Für entspannte Arbeitgeber, für motivierte Teams und ein zufriedenes Publikum. Interessant ist ja, dass das eine nicht auf Kosten des anderen geschieht.

Autorin

Jacqueline Strauss, Direktorin, Museum für Kommunikation

Illustrationen

Tina Leuenberger, www.tinaleuenberger.com

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