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Kinder durchleuchten das Museum

Mit einem neuartigen Projekt fördert das Museum für Kommunikation die soziale Integration von Kindern durch kulturelle Teilhabe. Und es stellt sich der Herausforderung, ihnen eine aktive und gleichberechtigte Mitgestaltung im Museum zu ermöglichen. Die sogenannten «K-Minis» gehen mehrere Monate im Museum ein und aus – und fordern es heraus. Ein Projekt mit Freude und Lerneffekten auf beiden Seiten. 

Angebote für Kinder gibt es genügend. Oder?

Wenn wir unsere Zahlen in Bezug auf Schulgruppen und Familienbesucher:innen ansehen, ist es nicht so, dass wir mehr Kinder anziehen müssten.  Aber: Kommen sie ins Museum, weil sie wollen, oder weil sie einfach mitgehen? Unser Wunsch und Ziel: Sie sollen das Museum als Ort betrachten, der ihnen gehört, nicht als weitere Option eines riesigen Konsum- und Unterhaltungsangebots. Oder als Spielplatz. Und schon gar nicht als Schul- oder sonstiges Pflichtprogramm, das sie meiden, sobald die Pflicht entfällt. 

Wir wollen die Kinder involvieren und so motivieren. Ihnen die Gelegenheit geben, ihre Sicht einzubringen und das Museum mitzugestalten. Wenn sie das Gefühl haben, dass es (auch) ihnen gehört, werden sie zurückkommen und andere mitbringen. Mit anderen Worten: Es geht um die Förderung der Selbstwirksamkeit durch die persönliche Erfahrung der Mitsprache und Meinungsbildung, der Planung und Umsetzung. Die Kinder bringen (sich) mehr ein und holen so mehr aus dem Museum heraus. Und obwohl das Museum mehr gibt, hat auch es am Schluss mehr. Die Magie der Museumsmathematik. Wir erhalten eine neue und wichtige Perspektive. Mehr Augen. Mehr Hände. Mehr Herz.

Aus diesem Gedanken ist das Projekt «K-Minis» entstanden. Die «Ks» sind in unserem Jargon die Kommunikator:innen, diese vom Museum für Kommunikation neu geschaffene Berufsrolle, die den Besuchenden einzigartig interaktive und persönliche Erlebnisse ermöglicht. Die Kinder sind die «K-Minis».

Eine Schnittstelle zwischen Schule, Familie und Kultur

Unser Anspruch geht allerdings noch etwas weiter: Wir wollen soziale Integration durch kulturelle Teilhabe ermöglichen, eine Schnittstelle zwischen Schule, Familie und Kultur schaffen. Deshalb bilden wir eine vielseitige Gruppe von jungen Menschen, mit unterschiedlichen Geschlechtern, Sprachen, Herkünften, sozioökonomischen Hintergründen. Migrationserfahrung, entweder persönliche oder bei den Eltern, ist eine feste Bedingung. Um geeignete und motivierte Kinder zu finden, nutzen wir Kontakte aus früheren Teilhabeprojekten und aus persönlichen Netzwerken.

Im ersten Workshop im Mai 2024 machen vier Mädchen und drei Jungs im Alter zwischen neun und dreizehn Jahren mit. Allesamt motiviert, aber teils noch etwas scheu. Mit einem co-kreativen und agilen Ansatz wollen wir das ändern. Die K-Minis sollen Raum erhalten, um ihre Perspektiven einzubringen, Entscheide zu fällen und Inhalte für Ausstellungen oder Kommunikationsmittel mitzugestalten.

Nach dem Start müssen sie sich erst einmal kennenlernen. In vier internen Workshops bauen wir Vertrautheit und Vertrauen auf, so dass sukzessive eine gut harmonierende Gruppe entsteht. Die Kinder kommen nach Möglichkeit und Interesse auch ausserhalb der Workshops und Sitzungen ins Museum. Dieses offene Angebot nutzen sie oft. Gerade in den kleineren Zusammensetzungen wachsen die Vertrauensbasis und das Zugehörigkeitsgefühl, was sich schliesslich auf die ganze Gruppe auswirkt.

Über Spiele und Rallys lernen die Kinder sich untereinander und «nebenbei» das Museum kennen. Diese Phase des «Ankommens» und «Willkommens» endet vor den Sommerferien 2024 mit der feierlichen Übergabe der T-Shirts. In Anlehnung an die Kommunikator:innen haben nun auch die K-Minis ein Museums-T-Shirt, auf denen ein von ihnen gewählter Text in ihren beiden Hauptsprachen abgedruckt ist. Der einzige Unterschied: Das T-Shirt ist dunkelblau, nicht schwarz. Die Botschaft ist aber klar: Sie gehören zum Museumsteam!

Vor der Selfiestation "Login" im Museum für Kommunikation stehen sieben Kinder auf rotem Teppich. Eine erwachsene Person drückt nebenan auf den Auslöser.  - vergrösserte Ansicht
Die K-Minis sind angekommen: Fotosession mit dem neuen T-Shirt an der Station "Login" in der Kernausstellung des Museums.

Laufende Evaluation, Anpassungen in voller Fahrt

Nach den Sommerferien beginnt die nächste Phase. In einer Serie von Workshops versuchen wir, die verschiedenen Fähigkeiten der Kinder zu erkennen, um mit ihnen anschliessend zu überlegen, wie wir sie im Museum einsetzen können. Die K-Minis erkunden mit Partnerorganisationen wie SpielRevier und Radio RaBE sowie mit Ks, die ausserhalb des Museums einem anderen Beruf nachgehen, mehrere Themenfelder: Ort und Zugänglichkeit, Museumsberufe, Ausstellung und Sammlung. Die Gruppe lernt verschiedene Methoden und Techniken des Gestaltens und Zusammenwirkens kennen. Auch ein Besuch im Museumsdepot in Schwarzenburg gehört dazu. 

Das Projekt ist kein Selbstläufer. Wir dokumentieren und evaluieren unsere Zusammenarbeit fortlaufend, Anpassungen sind immer wieder nötig. Im Oktober nehmen wir eine grössere Veränderung vor: Das Projektteam reduziert den Grad der Steuerung – weniger Moderation, weniger konkrete Zielsetzungen – und lässt mehr Gestaltungs- und Diskussionsraum für die Kinder zu, die nun bereits sehr vertraut mit dem Museum sind.

Als das Pilotprojekt im März 2025 endet, fühlen sich die Kinder ins Museum eingebunden – so sehr, dass die Hälfte von ihnen weiterhin als K-Minis Einsätze im Museum machen werden. Dies in Absprache mit dem Museumsteam und natürlich mit dem offiziellen T-Shirt. Sie machen bei besonderen Anlässen wie unserem «Spielwochenende» mit, als Unterstützung für eine Führung oder einen Workshop, bei speziellen Kinderangeboten wie dem «Fäger»-Ferienpass, und sogar bei der Begrüssung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), die das Museum vor kurzem besucht hat. Es kann aber auch sein, dass sie einfach einen «gewöhnlichen» Nachmittag mit uns in der Ausstellung verbringen.

Fünf Kinder sitzen an einem grauen Tisch und arbeiten mit Legos.
Sieben Kinder stehen vor dem Museum für Kommunikation in der Abendsonne. Links ist eine Installation zusehen, die sie gebaut haben.
Drei Kinder sitzen um ein Radiomikrophon mit Kopfhörern auf dem Kopf.
Besuch im Museumsdepot: zwischen gelben Kutschen und Autos stehen die Kinder - vor ihnen erzählt ein Museumsmitarbeiter.

«Vielen Dank, es hat sehr viel Spass gemacht!», hat eines der Kinder in der Evaluation geschrieben. Den Dank erwidern wir gerne – auch auf unserer Seite waren Freude und Lerneffekte gross!

Erkenntnisse aus dem Projekt

Sarah-Jane Conrad von der PH Bern hat uns für die externe Evaluation begleitet. Ihre wissenschaftliche Sicht und hohen Ansprüche waren für unser Pilotprojekt herausfordernd. Sie halfen uns aber auch, das Lernpotential bestmöglich auszuschöpfen. Zudem sahen wir Sarah-Janes Begleitung auch als Wertschätzung der Kinder. Als Zeichen, dass wir dieses Projekt wirklich ernst nahmen.

Insgesamt haben wir ein sehr positives Fazit gezogen. Das Projekt gab wichtige Impulse für die kinderzentrierte Museumsarbeit, zeigte aber auch Herausforderungen auf – insbesondere in Bezug auf die strukturelle Verankerung, den nachhaltigen Einfluss und die Balance zwischen pädagogischer Vermittlung und echter Mitgestaltung. Oft dominierten in der Praxis die erwachsenenzentrierten Strukturen. Das hatte auch mit knappen Ressourcen – und damit verbunden – mit Zeitdruck zu tun. Keine ideale Ausgangslage für ein Projekt mit Kindern, in dem ergebnisoffen und agil gearbeitet wird. Die Heterogenität der Kindergruppe (auch wenn gewünscht) und das fehlende Wissen der Kinder über viele Museumsbereiche waren Faktoren, die die Beteiligung der Kinder und die strukturelle Wirkung erschwerten. 

Gleichzeitig förderte die Evaluation positive Entwicklungen bei den Kindern selbst zutage: Die K-Minis identifizierten sich stark mit ihrer Rolle, wussten genau, warum sie an dem Projekt arbeiteten, und trugen aktiv zu dessen Weiterentwicklung bei. Das Projekt förderte ihre Beteiligung am und ihre Identifikation mit dem Museum nachhaltig. Konkret: Die Kinder sahen sich als Teil des Museums (4,6 von 5,0 Punkten) und sie dachten, dass ihre Ideen und Vorschläge das Museum veränderten (4,0 Punkte). Sie schätzten die Beteiligungsmöglichkeiten als K-Minis im Museum sogar höher ein als zu Hause und in der Schule.

Eine weitere, vielleicht die wichtigste Erkenntnis: Die Wahrnehmungen von Kindern und Erwachsenen klaffen immer wieder auseinander. Umso wichtiger sind genau solche Projekte, in denen die Kinder ihre Perspektive direkt einbringen können. Wir bleiben dran!

Autorin

Verónica Reyes, Kommunikatorin und Projektleiterin K-Minis, Museum für Kommunikation, Bern

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