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Das PTT-Archiv und die Postkarten im Ersten Weltkrieg

Tief im Innern des PTT-Archivs in Köniz lagert die grosse Geschichte der Schweizer Post, Telegrafie und Telefonie. Unter anderem auch ein Koffer voller Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg. Sie waren ein wichtiger Teil der Propaganda, der Heimatgefühle, aber auch der Satire. Wer auf die Spuren seiner Vorfahren und der geschriebenen Wörter gehen will, melde sich beim PTT-Archiv – der Fundus ist riesig.

Das PTT-Archiv ist das schriftlich niedergelegte und nachvollziehbare Gedächtnis der Post, Telegrafie und Telefonie in der Schweiz. So steht es in seinem Leitbild geschrieben. Hier kann nach historischen Inhalten zur Schweizer Post- und Telekommunikationsgeschichte geforscht, gesucht oder gestöbert werden. Ein Ort für dich und mich, sofern dich dieses Kapitel der Schweizer Geschichte interessiert.

Sein Anliegen meldet man am besten telefonisch oder per Mail an. Die versierten Bibliothekarinnen legen am vereinbarten Termin die zur Verfügung stehenden Zeitdokumente zum gewünschten Thema in Ordnern, Schachteln, Mappen auf Rollwägelchen bereit. Und wenn ihnen zusätzlich noch etwas in den Sinn kommt, legen sie es dazu. Alles fein säuberlich beschriftet, nummeriert und somit quasi startklar fürs sofortige Eintauchen in das gewählte Thema.

Mir persönlich haben es die Postkarten angetan. Vorderseite nicht so wichtig, die handbeschrieben Rückseite umso mehr. Zeitzeugen aus der Vergangenheit, die auch heute noch ihren Wert haben. Der damals von Italien aus an mich adressierte Feriengruss kam mit einer halbjährigen Verzögerung und einem zusätzlichen Poststempel aus Tunis bei mir in Thusis an. Dass das kleine Dorf in den Bündner Bergen einmal mit der tunesischen Hauptstadt verwechselt werden konnte, ist wohl nur dank einer Klauenschrift möglich gewesen. Meine Karte lagert nicht im Archiv, aber unzählige aus dem Ersten Weltkrieg.

Zeitzeugen aus dem Ersten Weltkrieg 

Die Kartenproduktion lief während der ganzen Dauer des Krieges auf Hochtouren. Und zwar mit militärischen und patriotischen Bildern: selbsthergestellte Fotokarten zeigten Truppenangehörige in ihrem damaligen Umfeld. 900 solche verschiedenen Karten wurden im Katalog über Militärpostkarten von Markus Wittwer aufgelistet. Georg Kreis veröffentlichte 2013 das Buch «Schweizer Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg». Ein wahrer Schatz!

Illustrierte historische Postkarte: Ein riesiger Wilhelm Tell packt zwei kleine fremde Soldaten an den Ohren und schleift sie fort.
Historische Zeichnung: Auf einer Landkarte steht in Deutschland ein Mann, der eine Kanone abfeuert, das Geschoss fliegt einem anderen Mann in England ins Gesicht.
Historische Zeichnung mit Bildfolge: Kaiser Wilhelm II erst lachend (gestern), dann ängstlich (heute) und am Ende nur noch eine Wand mit vergittertem Fenster (morgen).
Illustrierte historische Postkarte: Ein Schweizer mit Sennenkäppi und Melchstuhl wischt vor Helvetia fremde Soldaten aus dem Land.
Historische Zeichnung: Ein (deutscher) Soldat tritt eine Bombe über den Ärmelkanal nach England, wo ein Mann davonrennt.
Historische Zeichnung: Ein Mann (Kaiser Wilhelm II) blickt in den Spiegel und sieht darin sich selbst als Schwein.
Historische Zeichnung: Zwei Soldaten mit einer grossen Schere schneiden einem Löwen, der mit dem Fuss in einer Fall festsitzt, den Schwanz ab. Am Schwanz ist eine Grossbritannien-Fahne befestigt.
Historische Zeichnung: Zwei Männer würgen sich gegenseitig, im Hintergrund Flaggen.
Die Rückseite einer Postkarte: ohne Text, aber adressiert an den deutschen Kaiser.
Rückseite einer Postkarte mit Adresse (ein Restaurant in Zürich), Briefmarke und Stempel. Der Text umfasst nur Grüsse und Unterschrift.

Die Postkarten wurden häufig als Propagandakarten für patriotische Inhalte genutzt. Oft gespickt mit Satire. Sie bebilderten das damalige militärischen Leben und kamen häufig nicht beim Empfänger an, weil ein Rotstift sie zensierte. Wilhelm Tell, Winkelried, die drei Eidgenossen, Helvetia, die Alpen, die Kühe... Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: sie gehören zum Bild der Schweiz. Viele der zensierten Postkarten nahmen diese Ikonen auf, um durch die damit verknüpften Eigenschaften auf bestimmte Missstände aufmerksam zu machen. Die Schrecken des Krieges satirisch zu verarbeiten, wird auch heute noch praktiziert. Mit «Memes», der modernen Version der Postkarte, versuchen die Ukrainer der russischen Propaganda entgegenzuwirken. Galgenhumor hilft eben, zu überleben.

Am 28. Februar 1919 wurde die Aufhebung der Neutralitätszensur ausgerufen. Postangestellte waren verpflichtet, fragwürdige Sendungen der Oberpostdirektion zuzusenden. Aufgrund ihrer enormen Menge wurden sie vernichtet, insofern sie als neutralitätswidrig deklariert wurden. Aber ohalätz, ein riesiges Paket bestehend aus zensurierten Postkarten, hatte diese Zerstörung überstanden. Weshalb es nicht liquidiert wurde, ist ein grosses Geheimnis. Sein Inhalt jedoch lagert nun im PTT-Archiv und schreibt Geschichte. Es sind Zeitzeugen eines harten, grausamen, unnötigen Krieges. Zu ertragen vielleicht nur mit einer Prise Satire ­– mit Memes anno 1914. 

Autorin

Irma Aregger, Gastautorin (irma-aregger.ch)

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