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Das Kuriositätenkabinett

Das Museum für Kommunikation ist bekannt als unterhaltsamer Ausflugsort für jedes Alter. Und unter Forschenden beliebt für seine umfangreiche Sammlung zur Kommunikation und die aufschlussreichen Akten dazu im PTT-Archiv. Ganz nebenbei wird das Museumsteam aber für äusserst ungewöhnliche Dienstleistungen angefragt. Ein Blick ins Kuriositätenkabinett.

Der Sammlungskurator als Tattoo-Autorität

Das Telefon klingelt – ein Anruf aus einer ländlichen Region der Schweiz. Juri Jaquemet, Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, nimmt ab und findet sich in einem Gespräch über Morsecodes wieder. Offensichtlich traut ihm die Anruferin mehr als dem Internet. Sie erkundigt sich, ob die Morsecodes auf Wikipedia stimmen. Sie möchte sich nämlich ein Tattoo mit Morsezeichen stechen lassen. Natürlich kennt auch sie die Internetseiten voll mit falschen chinesischen Schriftzeichen. Also besser nachfragen.

Er nimmt es als Kompliment für unsere Glaubwürdigkeit und geht auf diese ungewohnte Frage ein. Jaquemet schlägt in einem Standardwerk des Militärs nach (Optischer Signaldienst, Ausgabe 1935) und kann der Frau am Telefon bestätigen, dass die Codes auf Wikipedia korrekt sind. Was sich die Anruferin genau tätowieren lassen will, das bleibt vorderhand ihr Geheimnis. Klar ist hingegen: Auch in Zeiten der Digitalisierung vertrauen viele lieber einem Menschen.

 

Postauto – weltweit!

«Ok, das gibt richtig viel Arbeit. Kaufen Sie sich doch ein Oldtimer-Postauto in besserem Zustand.», denkt sich unser Restaurator und Postautoexperte Tim Hellstern, als er das Foto dieses Postautos sieht. Vielleicht sollte man eher von Überresten eines Postautos sprechen. Doch dann wird er doch neugierig und tritt mit dem Absender in Kontakt. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen hochmotivierten Kanadier handelt, der das historische Gefährt wieder in Schwung bringen möchte. Doch irgendwie fehlt dem Ding ein Dach!

Hellstern weiss, was hier weiterhilft. Er schreibt nach Kanada, wo man die Wagennummer des Gefährts finden muss. Dank unseren Unterlagen und den Akten im PTT-Archiv findet er dann heraus, dass es sich um einen Prototypen mit Dach aus Plexiglas handelt. Das Dach hat die Alterung offensichtlich schlecht überstanden. Zusammen mit dem Saurer Club finden wir dann heraus, dass das Fahrzeug mit Baujahr 1951 nach dem Einsatz bei der PTT per 1976 an eine Privatperson verkauft wurde. Diese nutzte es als Wohnmobil und unternahm damit weite Reisen. So fotografierte es ein Saurer-Fan 1979 zusammen mit einem Saurer-Lastwagen in Istanbul vor dem Bosporus. Und wie das Postauto überhaupt nach Kanada kam? Das können wir nicht mehr aufklären. Aber immerhin können wir den Kanadier nun mit Schweizer Postauto-Fans verlinken, die ihm beim Wiederaufbau die entscheidenden Tipps geben können. Wir senden die besten Wünsche mit viel Geduld und gutem Gelingen nach Sainte-Perpétue, einem kleinen Ort im Umland von Quebec.

Ein historisches Postauto in schlechtem Zustand steht im Schnee. Überall Rost, abgesprungene Farbe und das Dach fehlt vollständig. - vergrösserte Ansicht
Das Postauto in Kanada ist in eher bemitleidenswertem Zustand.

Wenn wir uns selbst überraschen

Von der Universität Bern meldet sich eine Forschungsstelle zur Geschichte der Nutztiere. Wir sind erst einmal etwas irritiert! Normalerweise erhalten wir Anfragen zu den Entwicklungsnuancen des Postgelbs, dem Postauto Saurer Alpenwagen oder dem Aufbau der Telekommunikationsnetze. Aber Nutztiere? Die verorten wir erst mal eher auf dem Bauernhof als bei uns. 

Doch bei genauerem Nachdenken wird klar, dass es da Material geben muss. Also machen wir uns auf die Suche und durchkämmen die Sammlungsschubladen. Nach längerer Recherche finden wir in unserem Fotoarchiv über hundert historische Bilder, denn früher wurden für die Postzustellung tatsächlich viele Tiere eingesetzt. Vor allem in entlegenen Regionen arbeiteten teilweise bis in die 1960er- und 1970er-Jahre Maultiere, Maulesel, Pferde, Esel, Ponys und diverse Hunde für die Post. Dank der fortschreitenden Digitalisierung unserer Fotosammlung und der neuen KI-gestützten Bildsuche lässt sich eine solche Anfrage übrigens heute sehr viel einfacher beantworten als damals.

 

Eine ungewöhnliche Briefmarke

Bei Briefmarken überrascht uns so schnell niemand. Rund drei Millionen Stück haben wir davon, denn in unserem Museum hüten wir eine der grössten Briefmarkensammlungen weltweit. Trotzdem geraten unsere Expert:innen kurz in Aufregung. Haben wir da etwa eine unbekannte Marke vor uns?!

Ein Philatelist hat uns einige Exemplare einer Sonderbriefmarke zum Weltpostverein zugeschickt. Wir kennen diese Marken bestens: grün zu 5 Rappen, rot zu 10 Rappen und blau zu 25 Rappen. Doch in diesem Brief liegt eine 5-Rappen Marke in blau (wo sie doch grün sein sollte). Grosses Stirnrunzeln. Wie kann das sein? Ein Fehldruck? Eine noch unbekannte Marke? Oder handelt es sich gar um eine Fälschung? Nach einigen Recherchen dann die «langweilige» Erkenntnis: Die Wunderwelt des Plastiks! Es kommt vor, dass Lösungsmittel in Plastikumschlägen die Farben von Marken verändern. Beim zugeschickten Exemplar handelt es sich also höchstwahrscheinlich um eine Marke, die lange Zeit in einem Plastikumschlag gelagert wurde. Und so wurde aus grün über die Jahre blau.

Gut bewahren wir unsere Briefmarken alle in säurefreien Materialien auf, damit das nicht passieren kann.

Printscreen einer Bildersuche mit 3x6 historischen Bildern - die meisten mit Tieren drauf.  - vergrösserte Ansicht
Mit der KI-gestützten Bildsuche sind heute schnell Fotos mit Nutztieren gefunden - Digitalisierung sei Dank. Allerdings liegt auch die KI nicht immer richtig.
Zwei identische Briefmarken mit einer Zeichnung einer Frau, die einen Telegrafenmasten hochhält - im Hintergrund eine Weltkugel. Eine Briefmarke ist blau, eine grün. - vergrösserte Ansicht
Die Briefmarke ist eindeutig blau - dabei sollte sie doch grün sein!

Wann war das schon wieder?

Für einmal scheint ein Journalist nicht nur ratlos vor dem leeren Blatt zu sitzen - die Leere breitet sich noch weiter aus. Eigentlich will er über sein erstes Natel schreiben, aber es kommt ihm weder in den Sinn, wann das war, noch was für ein Gerät es war. Eine Gleichung voller Unbekannter! Wie soll das nur weitergehen?

Doch hier wird der Journalist kreativ. Er schreibt unseren Sammlungskurator Juri Jaquemet an. Der kann bestimmt weiterhelfen. Schliesslich hat er doch einen ausführlichen Blog-Artikel über Natels geschrieben. Der einzige Hinweis ist vage: Der Journalist erinnert sich, dass auf einer Pressereise einige Journalistenkollegen schon ein Handy hatten, er aber noch nicht.

Da ist selbst Experte Jaquemet überfragt. Er schickt dem Journalisten einige Literatur und den Hinweis: Falls SMS bereits ein Thema war, dann wars nach 1995. Was aus dem Artikel geworden ist, entzieht sich leider unserer Kenntnis.

Autor

Nico Gurtner, Leiter Marketing & Kommunikation, Museum für Kommunikation, Bern

Mit Dank ans Sammlungsteam, das die Geschichten mit mir geteilt hat!

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